Zurück in die Vergangenheit?!

Es war einmal ein „Tausendjähriges Reich“. Das währte zwar nur 12 Jahre, aber die hatten es in sich. Unter anderem war da die Todsünde derentarteten Kunst„. Die dieser zugerechneten Werke wurden verboten, vernichtet – oder ins Ausland verscherbelt. Den „entarteten“ Künstlern ging es noch schlechter.

Jetzt kehrt offenbar diese Zeit zurück. Die simple Tatsache, dass die Kunsthalle Rostock Werke von Fritz Cremer und Willi Sitte zeigen will, führt zu unglaublichen Forderungen und Statements (alle zitierten Textstellen stammen aus der Ostsee-Zeitung vom 10.11.2018, nicht etwa aus dem „Stürmer reloaded“:

Erste Historiker fordern bereits vor der Eröffnung, die Ausstellung zu verbieten.

Willi Sitte … Einer aus der Viererbande der DDR-Staatskünstler mit Bernhard Heisig, Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer.

Die Bild-Zeitung hat vor der Eröffnung der Ausstellung, bevor man ein Werk sehen oder eine Konzeption erahnen konnte in Opfer-Anbiederei gefordert, die Schau zu verbieten.

Der Leiter der Forschungs- und Dokumentationsstelle des Landes zur Geschichte der Diktaturen in Deutschland, Fred Mrotzek, sagte: „Herr Neumann, schließen Sie diese Ausstellung!“ 

Im deutsch-deutschen Bilderstreit, den der Maler Georg Baselitz 1993 vom Zaun – oder besser – über die Mauer brach, ging es darum, ob Staatskunst Kunst sei. Baselitz behauptete agitativ und PR-schlau, dass es in der DDR überhaupt keine Künstler gegeben hat.

Und deshalb darf man ja auch nicht zeigen, dass es doch welche gegeben hat. Noch dazu was für welche!

Aber die hat es ja selbst in einem zweiseitigen Beitrag der „Jungen Welt“ offenbar nicht gegeben, denn:

Der sogenannte Sozialistische Realismus war in der realsozialistischen Regierungspraxis ein Instrument staatlicher Gängelung der Künstler… mit der Folge einer bis zum Ende des Realsozialismus desaströsen Kunstpolitik.

Das ist heftig. Bislang hatte diese Zeitung den Anspruch zu drucken, wie sie lügen. Jetzt druckt sie Lügen (die quacksalberhaften, abgelesenen aber offenbar nicht verstandenen anderen Aussagen im künstlerischen wie philosophischen Bereich des zitierten Artikels sollen hier unkommentiert bleiben).

Noch einmal zurück zu den Biographien der beiden Künstler, deren Werke nicht gezeigt werden sollen:

Willi Sitte wuchs im tschechischen Kratzau in bürgerlichem Milieu mit kommunistischem Hintergrund auf. Er ging auf die Göring-Meisterschule für Malerei in Kronenburg und hat daher seinen Schliff als akademischer Maler. Sitte gilt neben Tübke als der bedeutendste deutsche Zeichner des 20. Jahrhunderts. Im Zweiten Weltkrieg diente er an der Ostfront, desertierte und schloss sich in Italien den Partisanen an. Sitte war überzeugter Antifaschist, Sozialist, DDR-Funktionär. Was Hermann Kant der Literatur war, war Sitte der Kunst.

Ähnlich Fritz Cremer (1906-1993). Der Bildhauer, Grafiker, Zeichner wurde in Arnsberg geboren und absolvierte in Essen eine Steinbildhauerlehre, bevor er die Folkwang-Schule besuchte. In den 30er gehörte Cremer zum Umfeld der Widerstandsgruppe „Die Rote Kapelle“. Im Zweiten Weltkrieg geriet er in jugoslawische Kriegsgefangenschaft und trat 1946 der SED bei. Er war Leiter der Akademie der Künste in Wien und Professor an der Akademie der Künste in Berlin, ab 1974 deren Vizepräsident.

Die Zitate stammen ebenfalls aus dem OZ-Artikel vom 9.11.2018; Hervorhebungen vom Rumpelstilzchen. Mehr, viel mehr zu Sitte und Cremer findet sich im Internet und auch im Buchhandel.

In einer immer rechter, immer faschistoider werdenden Gesellschaft stören natürlich solche Persönlichkeiten. Traurig und zugleich bezeichnend ist, dass wieder einmal sich auch „DDR-Bürgerrechtler“ unter den Protestierenden finden.

 

Ein Kommentar

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